Mittwoch, 14. Juli 2010

Verlagschelte

Wolff oder Schaff?

Lieber Herr Wolff
Sie sind der Archetyp Aparatschik der Verlagsindustrie. Unsere
Ansichten müssen sich nicht decken - wie könnten Sie auch - als Kunde
haben die Verlage mich schon lange vergrätzt und das aus folgendem
Grund:
90% aller Inhalte einer Zeitung kommen aus dem Agenturabo. Erinnern
Sie sich noch an die Zeit als Agenturmeldungen 1/3 des Platzes auf
der letzten Seite beanspruchten?
10% sind belangloses Geschreibsel um ja nicht die Anzeigenkunden zu
vegrätzen.
Journalismus war noch nie unabhängig. Die Verquickung von Inhalt und
PR hat das Feuilleton aber unfrei gemacht.

Schaffen wir das Machen, Drucken ab. Billigst übers Web verteilen.
Das ist der feuchte Traum der Branche: Wir beschränken uns auf den
Aboverkauf und Anzeigeneinnahmen und verklickern dem Kunden seichte
PR als Mehrwehrt...

Lange und gut redigierte Artikel mit Quellenangaben - eben das was
Reporting und Journalismus als gut auszeichnet und die Wahrnahme der
Position als vierte Macht im Staat ausmacht - Fehlanzeige. Denn das
kostet Schreibzeit und ev. Anzeigengeld und wie sollte man sowas im
Businessplan beschreiben und das wäre ja auch fast sowas wie
Systemkritik und das geht nun aber gar nicht...

E-Reader
Sie befinden sich auf der Titanic. Der Eisberg wurde schon gerammt.
Sie und die Verlage arrangieren aber noch schön die Liegestühle denn
die E-Reader bedeuten nichts anderes als das Sie die Hoheit über die
Werbeeinnahmen an Apple, Google et al abgeben und bereits jetzt
Zensur an der Tagesordnung ist. Sie jubeln das iPad hoch - es ist nur
noch amüsant zuzuschauen wie Sie sich freudig selber die Schlinge um
den Hals legen und auch noch grinsend zuziehen.
Haben Sie die Folgen der Syndizierung in den USA analysiert? Ich
denke nicht - den dort sterben aus genau diesem Grund die Verlage wie
die Fliegen, E-Reader hin oder her.

Lieber Herr Fuhrmann
Zeitungen waren objektiv noch nie so schlecht wie heute. Einige
Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein faules Ei gleicht dem Anderen -
meine Auswahl wurde eingeschränkt - ich kann zwischen dutzenden
Pravdas wählen.

Das alte Geschäftsmodell hat ausgedient(Punkt). Sie verweigern sich
der Zukunft, Ihre Ressourcen schwinden. Der Kunde ist PRmüde, iPad
ist in 2 Jahren out. Wie wärs zur Abwechslung mal mit ehrlichem
Geschreibsel von intelligenten, gut gebildeten Profi- oder
Amateurjournos. Aber das gibts ja schon - Bürgerjournalismus auf
Blogs - gratis, selbst- oder werbefinanziert und die stehen auf
gleicher Augenhöhe wie die Verlage was den Vertrieb angeht. Die
vierte Macht wurde Ihnen entrissen - der tatsächliche Mehrwert ist
nicht mehr in Ihrem Besitz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen